Was ist der Unterschied zwischen absoluten und relativen Zahlen? Wie erkennt man “Disease Mongering”? Und was ist eine Pilotstudie? Wenn Sie über Medizinthemen berichten, begegnen Ihnen unweigerlich viele Fachbegriffe. Hier werden die wichtigsten kurz erklärt.
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Anomalie
Eine Anomalie ist eine Abweichung oder eine Fehlbildung, die nicht zwingend negativ sein muss. Die meisten Anomalien sind angeboren und entstehen durch genetische Defekte.
Bias
Unter “Bias” versteht man einen systematischen Fehler in Studien, der zu verzerrten Ergebnissen führen kann. Wissenschaftliche Studien haben das Ziel, Unterschiede zwischen zwei Behandlungsalternativen zu schätzen. Andere Faktoren sollen ausgeschlossen werden. Liegt ein “Bias” vor, gelingt das nicht. Dann kann etwa der Eindruck entstehen, ein Medikament würde dem Patienten einen Nutzen bringen, obwohl es ihm eigentlich schadet. Studienergebnisse, in denen ein “Bias” vorliegt, sind nicht verlässlich.
Case series
Case series (deutsch: Fallserien) sind Studien, die Patienten mit einer bestimmten Erkrankung beobachten. Die Patienten werden nicht mit Medikamenten oder anderen Therapien behandelt. Es geht nur um die reine Beobachtung, wie sich eine Krankheit entwickelt. Auch fehlt eine Kontrollgruppe, so dass treffsichere Aussagen selten möglich sind.
Disease Mongering
Beschreibt die Darstellung einer natürlichen Entwicklung oder eines normalen Lebensablauf als therapiebedürftige Krankheit oder Fehlentwicklung, um ein Produkt oder eine Therapie besser verkaufen zu können.
Evidenzbasierte Medizin
Eine Vorgehensweise des medizinischen Handelns, bei der Patienten auf der Basis gegenwärtig besten externen, wissenschaftlichen Evidenz medizinischen versorgt werden. Evidenz-basierter Medizin umfasst die systematische Suche nach der relevanten Evidenz in der medizinischen Literatur für ein konkretes klinisches Problem, die kritische Beurteilung der Validität der Evidenz nach klinisch epidemiologischen Gesichtspunkten; die Bewertung der Größe des beobachteten Effekts sowie die Anwendung dieser Evidenz auf den konkreten Patienten mit Hilfe der klinischen Erfahrung und der Vorstellungen der Patienten.
IGeL: Individuelle Gesundheitsleistung
Alle Leistungen, die nicht zum festgeschriebenen Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gehören, die eine Kasse also nicht zahlen muss. (www.igel-monitor.de)
Impact Factor
Der Impact Factor zeigt an, ob und wie häufig wissenschaftliche Artikel einer Fachzeitschrift von anderen Publikationen zitiert wurden. Ist der Impact Factor hoch, gilt die Zeitschrift als angesehen und glaubwürdig. Trotzdem können auch in Zeitschriften mit hohem Impact Factor schlechte Artikel stehen.
IQWiG
Das IQWiG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen) ist ein unabhängiges wissenschaftliches Institut, das den Nutzen und Schaden von Medikamenten und Therapiemöglichkeiten für Patienten prüft und veröffentlicht.
Jadad-Score
Der Jadad–Score ist eine Größe zur Bewertung der Qualität von randomisierten kontrollierten Studien (RCT). Ist eine Studie mit einem Jadad–Score von “5” ausgezeichnet, handelt es sich um eine qualitativ hochwertige Untersuchung. Liegt der Wert dagegen unter 3, ist die methodische Qualität schlecht.
Lebensqualität
Der Begriff “Lebensqualität” wird im Zusammenhang mit der Nutzenbewertung von Medikamenten und Therapien häufig verwendet. Allerdings sagt er kaum etwas aus, da die Lebensqualität subjektiv empfunden wird und damit kaum messbar ist. (PDF Ethikrat)
Meta-Analyse
→ siehe Systematische Review
Morbidität
Die Morbidität gibt an, wie viele Menschen in einem bestimmten Zeitraum eine Krankheit bekommen haben, aber nicht daran gestorben sind. Die Morbidität wird auf die Gesamtbevölkerung bezogen.
Mortalität
Die Mortalität gibt an, wie viele Menschen in einem bestimmten Zeitraum an einer Krankheit gestorben sind. Die Mortalität wird auf die Gesamtbevölkerung bezogen.
Nebenwirkung
Eine unbeabsichtigte und gesundheitsschädliche Wirkung einer medizinischen Behandlung oder eines Medikaments. Tritt diese die bei Dosierungen des Mittels auf, welche beim Menschen zur Prophylaxe, Diagnostik oder Therapie üblich sind, spricht man auch von einer Unerwünschten Arzneimittelwirkung.
Off-Label-Use
Die Anwendung eines Medikaments zu einem Zweck, der nicht der in der → Zulassung genehmigten Anwendung entspricht.
Overreporting
Studien mit spektakulären ERgebnissen werden zu oft veröffentlicht, was auch wieder schlecht für Patienten ist; oft mit Salamitaktik: die Wissenschaftler teilen die Ergebnisse einer einzelnen Studie in mehrere Berichte auf, ohne klarzustellen, dass es sich bei den einzelnen Berichten nicht um voneinander unabhängige Studien handelt (Quelle: Buch “Wo ist der Beweis”, S. 149)
Peer Review
Ein Peer Review bewertet die Qualität wissenschaftlicher Behandlungen oder Publikationen. Die Bewertung übernehmen unabhängige Gutachter, die aus dem gleichen Fachgebiet kommen wie die Autoren.
Pilotstudie
Eine Pilotstudie untersucht Fragestellungen, die bis zu dem Zeitpunkt nur unzureichend oder noch gar nicht erforscht sind. Die erhobenen Daten dienen häufig als Planungsgrundlage für sich anschließende größere Untersuchungen.
positiver Trend
= Zunahme (kann auch die Zunahme von etwas Schlechtem sein).
Publication bias
Der publication bias (deutsch: Publikationsbias) meint einen systemischen Fehler, der ein falsches Bild der Realität erzeugt. Dem Konzept publication bias liegt die Annahme zugrunde, dass Publikationen mit positiven und signifikanten Ergebnissen eher eine Chance haben, veröffentlicht zu werden, als Studien mit negativen oder nicht-signifikanten Ergebnissen.
QALY: quality adjusted life year
Qaly (deutsch: qualitätsgewichtetes Lebensjahr) ist ein Parameter, der einem Lebensjahr eines Patienten bei voller Gesundheit entspricht. Er integriert Mortalität und Morbidität und wird errechnet, indem man den bewerteten Gesundheitszustand mit der Zeit multipliziert, die man in diesem Zustand verbracht hat. Ein QALY mit dem Wert 1 entspricht einem Jahr bei voller Gesundheit, der Wert 0 entspricht dem Tod.
RCT
Eine randomisierte kontrollierte Studie (RCT) ist eine experimentelle Studie, mit der die Wirksamkeit einer Behandlung untersucht wird. Dazu werden die Patienten nach einem Zufallsverfahren in zwei Gruppen eingeteilt: die Therapiegruppe und die Kontrollgruppe. Die Ergebnisse beider Gruppen werden miteinander verglichen. RCT gilt als eines der besten Verfahren, um eindeutige Aussagen zu einer bestimmten Fragestellungen zu bekommen. Entsprechend wird die Methode auch als “Goldstandard” bezeichnet.
relatives Risiko (RR)
Das relative Risiko (RR) gibt an, inwiefern sich das Risiko, etwa eine bestimmte Krankheit zu bekommen, in zwei unterschiedlichen Gruppen unterscheidet. Dazu werden die experimentelle Gruppe und die Kontrollgruppe miteinander verglichen und in Verhältnis gesetzt. Bei einem RR=1 besteht zwischen den Gruppen kein Unterschied. Ist der Wert kleiner als 1, besteht ein geringeres Risiko, bei Werten größer als 1 ist das Risiko erhöht.
Relative und absolute Zahlen
Relative Zahlen dürfen nicht bewertet werden, ohne die absoluten Zahlen zu betrachten. Denn im Gegensatz zu absoluten Zahlen sind relative Zahlen kaum aussagekräftig: Sie werden in Prozent angegeben und sagen damit nichts über die Größe einer Stichprobe aus. In Studien werden relative Zahlen gerne genannt, weil sie einen gewünschten Eindruck verstärken können, etwa, dass eine Therapie besonders stark wirkt. Beispiel: Ein Institut verkündet, dass ein neues Krebsmedikament bei 70 Prozent der Studienteilnehmer zu einer Verkleinerung von Tumoren geführt habe. Das klingt zunächst viel. Betrachtet man jedoch die absoluten Zahlen, stellt man fest, dass insgesamt nur dreißig Testpersonen behandelt wurden. Eine Größe, die nicht repräsentativ ist und von der man keine allgemeingültigen Aussagen ableiten kann.
Surrogatparameter (=Surrogatmarker)
Werte wie Blutdruck oder Blutzucker, die sich schneller und einfacher als komplexe Krankheitsbilder (z.B. Herzinfarkt) messen lassen. Weil Surrogatparameter oft Risikofaktoren für die Krankheit sind, wird bei Medikamenten, die sich auf sie auswirken, häufig auf eine direkte Wirksamkeit gegen die Krankheit geschlossen. Dieser Rückschluss auf den realen Nutzen ist jedoch unzulässig.
Systematische Review (=systematische Übersichtsarbeit)
Ein schriftlicher Bericht über eine so genannte Sekundärforschung. Für diese werden die Ergebnisse aller Primärstudien, die es zu einem bestimmten Thema gibt, zusammengefasst und ausgewertet. Passiert dies mit statistischen Methoden, spricht man von einer → Meta-Analyse.
Underreporting
Wissenschaftler schreiben ihre Ergebnisse nicht auf oder veröffentlichen ihre Forschungsberichte nicht, wenn sie von den Ergebnissen enttäuscht sind. Manche Pharmaunternehmen unterdrücken die Veröffentlichung von Studien, in denen ihre Produkte keine günstige Beurteilung erhalten (Quelle: Buch “Wo ist der Beweis”, S. 145). Dadurch entsteht ein → Publication bias.
Zulassung
Medikamente, die in Deutschland vermarktet werden sollen, brauchen grundsätzlich eine behördlichen Genehmigung in Form einer nationalen Zulassung oder einer Zulassung durch die Europäische Kommission. Die zuständigen nationalen Behörden sind dafür in Deutschland das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Europäische Zulassungen koordiniert die Europäische Arzneimittelagentur (European Medicines Agency, EMA) in London.