Gerade im Wissenschaftsjournalismus sind Sie auf Einschätzungen von Experten angewiesen. Die aber können Ihnen viel erzählen - deshalb reicht ein einziger Forscher als Quelle keinesfalls aus. Ihr zweiter Experte darf nicht direkt an der Forschung des ersten beteiligt sein, damit seine Einschätzung auch wirklich unabhängig ist.
Ein Tipp: Sie müssen nicht mit jedem Wissenschaftler selbst sprechen. Hat dieser gerade in einem renommierten medizinischen Magazin oder einem anderen anerkannten Medium etwas zum Thema erklärt, können Sie dieses Quote durchaus verwenden - unter Nennung des Titels natürlich.
Wichtig: Die Aussagen der Experten müssen sich dabei nicht zwangsläufig widersprechen. Wenn Sie aus vermeintlicher journalistischer Korrektheit so lang recherchieren, bis Sie zwei unterschiedliche Ansichten in Ihrem Artikel anführen können, könnten Sie dadurch den Stand der Forschung verzerrt wiedergeben: Ein Vertreter einer Außenseitermeinung bekäme damit gegenüber der überwiegenden Lehrmeinung ein unangemessen hohes Gewicht - obwohl sich die meisten Fachleute bei dem Thema eigentlich einig sind. Checken Sie immer, ob eine Einschätzung unter Experten verbreitet ist - und wenn nicht, warum.
Um die Kompetenz Ihres Experten zu überprüfen, können Sie mehrere Punkte klären:
Der nächste entscheidende Punkt: Wer bezahlt die Arbeit Ihres Experten? Welche Motive könnte er für seine Aussagen haben? Wird seine Forschung durch Drittmittel gefördert, sollten Sie genau prüfen durch wen. Zwei Drittel der Forschungsgelder in Deutschland stammen aus solchen Mitteln, sie allein müssen also noch keinen unzulässigen Einfluss bedeuten. Recherchieren Sie, ob die Förderung Ihres Experten auf der Basis unabhängiger Gutachten fließt - wie etwa bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), dem Bundesforschungsministerium, der EU oder verschiedenen Stiftungen. Dabei gilt: Ein vertrauenswürdiger Experte muss transparent mit möglichen Interessenskonflikten umgehen und seine Finanzierung offenlegen.
Um herauszufinden, mit wem Ihr Experte zusammenarbeitet, hilft oft schon eine einfache Internetrecherche. Was steht im Impressum seines Instituts oder seiner Firma? Wer betreibt die Internetseite, welche Inhalte standen früher darauf und sind vielleicht inzwischen gelöscht? Was liegt noch auf dem Server? Mit kostenlosen Domain-Suchmaschinen können Sie diese Hintergrundinfos schnell beschaffen.
Und auch wenn es bequem ist: Vermeiden Sie “Expertenrecycling” - nur weil ein Forscher immer wieder in Medien auftaucht, ist er noch lange nicht der beste Ansprechpartner. Die Nebenautoren einer Studie haben nicht selten den Großteil der wissenschaftlichen Arbeit geleistet und stecken tiefer im Thema - es lohnt sich oft, sie an Stelle des bekannten Medienprofis anzusprechen.
Nicht zuletzt: Experten-Meinungen entbinden Journalisten nicht von der Pflicht, sich in ein Thema einzuarbeiten - auch wenn im Redaktionsalltag wenig Zeit dafür besteht. Sie müssen am Ende selbst beurteilen können, ob die Aussagen eines Experten plausibel erscheinen. Werden Sie misstrauisch, wenn er seine Argumente nicht bereitwillig mit unabhängig überprüfbaren Quellen belegen kann.
Je besser Sie mit den Fakten vertraut sind, desto weniger laufen Sie Gefahr, durch wirtschaftliche Interessen, Geltungsdrang oder schlampige Forschung getäuscht zu werden.
Wenn man vom Teufel spricht. Da ist dieser Professor Stein gerade im Fernsehen. Also nicht er, ein Tweet von ihm. „Endlich: Hepatitis C geheilt“, schreibt er und die Mittagsnachrichten nehmen das dankbar auf. Ob die diesen Professor Stein mal abgeklopft haben? Auf einem Lobbyblog steht, er beziehe Geld von mindestens drei unterschiedlichen Pharmafirmen. Auch seine Arbeit auf dem Feld der Hepatitis-Forschung ist offenbar gesponsert von der Industrie. Dann doch lieber jemanden anrufen, der nicht auf der Payroll von Bauer steht.